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Der Wanderer in herausfordernder Zeit - Fortsetzung 1: Freiheit allenthalben - oder was manche darunter verstehen

Die Zeiten werden rauer, die Diskussionen verlagern sich in die Welt der neuen Medien - der persönliche Anstand droht zu verkümmern. Eine Spurensuche nach den spärlichen Resten der Kinderstube.

Bedingt durch die verständlichen Beschränkungen der Bundesregierung in dieser gesundheitlich schwierigen Zeit musste der Wanderer seine Ausflüge ziemlich einsam drehen. Kaum Menschengruppen auf den Straßen und daher auch keine Gespräche, die zum Weitererzählen zu hören waren. Aber, die Zeit ist kompliziert genug und da gibt es ja zum Glück einen Meinungsmarktplatz, der schier unerschöpflich ist, die sogenannten „sozialen Medien“. Ganz erstaunlich, die Vielfalt der Kommunikation, ganz erstaunlich wie viele Menschen sich da zu schriftlichen Äußerungen verleiten lassen, oft auch ohne Phantasienamen. Dabei musste der Wanderer einen Trend feststellen, der ihn besorgt macht: Der Trend zur Verrohung der gewählten Ausdrucksweise. Da werden Menschen öffentlich mit den unglaublichsten Wortschöpfungen angegriffen, beschimpft und oft auch verspottet. Kaum ein Eintrag, der nicht sofort heftig zerpflückt wird. Das gilt natürlich nicht für eine Vielzahl der Beiträge, aber wenn einmal eine Einschätzung zu der aktuellen Gesundheitssituation zu lesen ist, beginnt – darauf könnte der Wanderer eine Wette anbieten – also ohne Zeitverlust beginnt der Beschimpfungssturm. Auffallend ist, dass sich auch Menschen zu Wort melden, die wahrscheinlich die geschriebenen Begriffe erst Corona-aktuell zum ersten Mal gelesen haben. Vulnerable Gruppen, Inzidenz und viele mehr werden locker vom Hocker geschrieben. Der Wanderer hat sich einmal den Spaß erlaubt und einen Beitragsschreiber angerufen und befragt, was er unter vulnerabel versteht. Die Antwort: – ahem, na ja, also….na ja, die Betroffenen halt…

Aber das ist ja weiter kein Problem, sind wir doch auch eine Nation der Fußballtrainer, warum nicht auch eine der Mediziner.

Bundespräsident van der Bellen hat unlängst gemeint „wählen wir eine Sprache, die es uns ermöglicht, uns nach der Zeit der Pandemie wieder in die Augen schauen zu können“, ein Wusch, dem sich auch der Wanderer mit großem Eifer gerne anschließt.

Und noch ein Zitat, das der Wanderer noch hin und wieder wiederholen wird und bitte, versteht ihn nicht falsch. Der Wanderer ist an sich ein sehr toleranter Typ. Sein Motto lautet: Leben und leben lassen. Doch er meint, dass das Handeln (sei es nun aus Egoismus, aus Dummheit, aus Unvernunft oder was-auch-immer), keine negativen Auswirkungen auf andere Personen haben sollte.

Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt, sprach der Philosoph Immanuel Kant.

PS.: Vulnerabel heißt laut Duden übrigens verletzlich, verwundbar…

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